OPEN END - das neue klangreich-Programm
"open end" bezieht sich darauf, dass dies nach über 25 Jahren Veranstaltungsengagement meine letzte klangreich-Saison sein wird. Wie in den 16 Programmen zuvor erwartet die klangreich-Freundinnen und -freunde ein äusserst diverses Programm mit viel Musik, die anderswo in der Region nur selten zu erleben ist. Die Spannungsfelder zwischen Alter und zeitgenössischer Musik, zwischen Komposition und Improvisation, zwischen Hochkultur und Weltmusik sollen einladen, mit offenen Ohren Neues zu entdecken.
Das Programm startet fulminant am 27. Oktober mit dem Kaleidoscope String Quartet und dem Gaststar Michael Zisman. Das KSQ fiel in der Alten Kirche schon bei seinem Konzert vor 10 Jahren auf mit ebenso raffinierten wie stimmigen Eigenkompositionen, die mit ansteckendem Groove gespielt wurden. Zusammen mit dem bekannten Bandoneonvirtuosen Michael Zisman lebt das Programm "Five!" von lateinamerikanischen Flair.
Im neuen Programm wird aber auch beispielsweise ziemlich verschieden Gitarre gespielt. Die klassischen "Guitarra a seis" verzaubern mit Gitarren in verschiedensten Stimmlagen, die sie zu einem opulent-farbigen Klangbild kombinieren. Francesco Locchisano demonstriert die überraschenden Klangfarben der traditionellen italienischen "chitarra battente" und der finnische Gitarrist Kalle Kalima spielt im Dialog mit dem Schweizer Stimmkünstler Andreas Schärer eine E-Gitarre, die das Mainstream-Klischee kreativ unterwandert.
Weil Stimmen in der Alten Kirche so schön zur Geltung kommen, wird auch im kommenden Programm auf vielfältigste Weise gesungen. Die Iranerin Golnar Shahyar ist, schlicht gesagt, eine vokale Sensation und Mico Corapi aus Kalabrien singt mit seiner rauen Stimme berührende Geschichten aus einer ziemlich nahen und doch archaisch-fremden Welt. Andreas Schaerer, der Stimmkünstler aus dem nahen Bern, ist ein Botschafter der urbanen Schweiz. Zusammen mit seinem finnischen Lieblingsgitarriste Kalle Kalima interpretiert er populräe und eigene Songs ganz neu und aufregend.
Johann Sebastian Bach zieht sich als roter Faden durchs Programm. Der Clavichord-Spezialist Jermaine Sprosse widmet sich in einem klanglich besonders intimen Programm Bach und dessen be- und verkannten Söhnen. Die "Guitarra a seis" werden eine brillante Bearbeitung eines bekannten Brandenburgischen Konzertes spielen und in der Passionszeit wird in der evangelischen Kirche Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion zu erleben sein. Mit seiner doppelchörigen Anlage und den berührenden Solistenpartien gilt die Matthäuspassion nicht nur als kompositorisches, sondern auch als gesangliches Meisterwerk. Als mich der Dirigent und Barockcellist Reto Cuonz wegen eines Anschlusskonzertes zur Aufführung in Zürich kontaktierte, war es für mich klar, diese Idee zu unterstützen. Ich bin dem Orchester La Fontaine und dessen Leiter Reto Cuonz seit vielen Jahren sehr verbunden. Er ist nicht nur ein sehr kompetenter Musiker, sondern auch ein äusserst integrer Orchestermanager, und ich bin der festen Überzeugung, dass man dies der Musik auch anhört. Zudem fand ich die Idee bestechend, mit Bachs episch-monumentaler Matthäuspassion in kammermusikalischer Besetzung mit meiner Veranstaltungstätigkeit aufzuhören. Das zeitlos Monumentale im Kleinen und im Moment zu erleben, schien mir für die klangreich-Idee stimmig und repräsentaiv zu sein.
Es wird nicht ganz dabei bleiben. Die Anfrage des Westschweizer Posaunisten Samuel Blaser, ein Trioprogramm mit den beiden französischen Jazzgrössen Vincent Courtois und Bruno Chevillon zu spielen, war so verlockend, dass ich nicht nein sagen konnte. So gibt es ein "zweites", gegensätzliches Abschiedskonzert, mit Posaune, mit offener, kreativer Improvisation, akustisch, avantgardistisch, und doch geerdet und elementar-vital.
In Vorfreude
Christian Brühwiler